„Ist es eine Hochzeit? Oder feiert dort das Klinikum?“ Das fragten sich wohl einige Anwohner angesichts der etwa 500 weiß gekleideten Menschen am Haydnplatz, die dabei waren, die Rasenfläche vor dem Brunnen in eine Tische-Landschaft zu verwandeln, um dort zu speisen. Tatsächlich aber wurden sie Zeuge des zweiten Karlsruher Dîners en Blanc. 

Die Idee rund um das stilvolle gemeinsame Freiluft-Essen ist wohl 1988 in Paris entstanden. Man munkelt, ein gewisser François Pasquier habe kurzerhand seine überfüllte Gartenparty in den Bois de Boulogne ausgelagert – und damit nebenbei ein neues kulinarisches Massenevent geschaffen. Mittlerweile gibt es das „weiße Picknick“ auf der ganzen Welt: New York, London, Hamburg – und einmal im Jahr auch in Karlsruhe, wo sich der vergnügte kulinarische Flashmob erstmals 2013 in der Südweststadt auf der Hirschbrücke niederließ.

„Wir kannten dieses Event schon von Berlin und anderen Städten und wollten endlich auch selbst mal daran teilnehmen. ,Aber dann doch bitte in der eigenen Stadt‘, dachten wir uns und machten uns daran, diesen Plan umzusetzen“, beschreibt Silvia Teschner, eine der Organisatorinnen, wie sie zu ihrer Dîner-Premiere kam. 

„Der Veranstaltungsort wechselt von Mal zu Mal. Der genaue Treffpunkt wird immer erst kurz vor dem Event verraten. Das gehört zum ,weißen Dinner‘ so dazu.“ Nicht zuletzt bewahrt das kostenlose und für jeden offene Ereignis auf diese Weise einen spontanen Charakter und das Veranstaltungs-Trio, zu dem auch Friederike Stemmer und Eva Judkins gehören, behält so den ungefähren Überblick über die Teilnehmerzahl. Denn nur wer sich anmeldet, erhält rund 24 Stunden vor dem Start die SMS der Veranstalter, die den Ort des Geschehens preisgibt.

Für die einheitliche Optik sorgt der Dresscode. Anwesende Damen und Herren kleiden sich ebenso wie die Kleinen – die bei diesem kinderfreundlichen Ereignis herzlich willkommen sind – vom Scheitel bis zur Sohle in Weiß. Selbst die Tischdekoration von der Decke über die Blumen bis hin zu den Kerzen fügt sich ausnahmslos in das Konzept ein. Jede Picknick-Gesellschaft verpflegt sich selbst – in der Regel mit einem Drei-Gänge-Menü sowie beispielsweise einem guten Wein – und sie sorgt auch für Essgeschirr (kein Einweggeschirr), Sitzgelegenheiten und einen Tisch. Nicht selten ist es möglich, auch am Nachbartisch eine kleine Kostprobe zu naschen, mit dessen lustiger Runde man ganz nebenbei etwa per freundlichem Zuprosten in Kontakt kommt. Und weil meistens jemand dabei ist, der eine Gitarre mitbringt, schallt nach einer Weile von irgendwoher ein Liedchen durchs bewegte Weiß.

So plötzlich wie die monochrome Menschenmenge aufgekreuzt ist, so spurlos löst sie sich dann Stunden später wieder in der Dunkelheit der Nacht auf. Es gehört zur Philosophie des Dîners en Blanc, dass außer ein paar schönen Fotos und tollen Erinnerungen keinerlei Spuren der Veranstaltung übrig bleiben. Ein kulinarischer Spuk, der für einen einzigen Abend auftaucht und dann wieder ein Jahr lang verschwindet.

Das nächste „weiße Picknick“ findet am 5. September 2015 statt. Informieren und anmelden kann man sich auf der Internetseite diner-en-blanc-karlsruhe.de

Dieser Text von Heike Schwitalla und Olaf Zemanek ist ein Auszug aus dem Karlsruher Stadtbuch 2015. Fotos: Olaf Zemanek (2)

 

Diner en Blanc Karlsruhe 2014 am Haydnplatz

Silvia Täschner, Friederike Stemmer, Eva Judkins – die Organisatorinnen des Karlsruher Diner en Blanc

Silvia Teschner, Friederike Stemmer und Eva Judkins – die Organisatorinnen des Karlsruher Dîner en Blanc (Foto: Dr. Carsten Ulrich)